Mit den Zähnen zu Knirschen ist ein weit verbreitetes Phänomen in Reiterkreisen. Leider wird es, wie auch das Maulaufsperren oder das Zungeherausstrecken von den meisten Reitern einfach hingenommen und weiter drüber hinweg geritten.
Als wir die Stute auf dem Foto das erste Mal besichtigten knirschte diese sogar schon im Stand. In allen drei Grundgangarten war auch ein deutliches Knirschen zu hören. Sobald man sie reiterlich forderte wurde es noch stärker. Ein Zahnarzt sollte die Stute wohl vor einiger Zeit kontrolliert haben.
Auffällig war die schlechte Bemuskelung; dennoch war die Stute durch professionellen Beritt sehr rittig, mit 5 Jahren waren schon M-Lektionen abrufbar und das Knirschen wurde von den Reitern nicht als Problem gesehen. Die Stute wurde in der Box gehalten und seit 3 Monaten täglich für den Weiterverkauf trainiert.
Es fiel auf, dass das Maul öfter offen war. Dies war auch unabhängig von der Zügeleinwirkung sichtbar.
Wenn man Profis auf dieses Problem ansprach wurde einem gesagt, dass sei ja nicht schlimm und man solle es ignorieren (leider darf es bei Benotungen in Dressurprüfungen nicht mehr negativ bewertet werden). Es wurde auch eine spezielle Seife genannt, die man dem Pferd ins Maul schmieren solle, kurz vor der Prüfung....
Für unser Praxisteam eine Herausforderung, da wir nicht hinnehmen wollten, dass dies normal oder zu ignorieren sei.
Nach dem Verkauf wurde zuerst die Haltung verändert: 24 h Heuaufnahme durch enge Heunetze, Weide direkt ab dem Paddock. Auch erfolgte aufgrund der schlechten Ergebnisse eines Bluttestes eine Rationsoptimierung mit einer verbesserten Versorgung mit Spurenelementen, Mineralien, Vitaminen und Aminosäuren. Zudem wurde die Darmflora aufgebaut. Es folgte eine Zahnkorrektur wobei einiges zu tun war....
Trotz kürzlicher Zahnbehandlung bei einem Kollegen waren deutliche Haken auf den ersten und letzten Backenzähnen, einige Zähne deuteten eine Welle an und auch Zahnkanten störten.
Das Gebiss wurde ausbalanciert und nun wurde es spannend...würde man sofort eine Verbesserung spüren?
Es dauerte ungefähr zwei Wochen, bis das Knirschen im Schritt verloren ging; im Trab und insbesondere im Galopp war das Knirschen immer noch der ryhtmische Begleiter des Reiters. Es fiel auf, dass die Stute aber immer öfter die ersten Runden in der Lösungsphase knirschfrei blieb...sobald aber etwas von ihr verlangt wurde, was etwas anstrengender war, quittierte sie es mit knirschen. Also wurde die Reittaktik so verändert, dass immer sofort der Druck rausgenommen wurde, sobald das Knirschen einsetze.
Die fast 24 stündige Haltung im Freien, das Wechseln des Metallgebisses in ein sehr leichtes Nathegebiss und das Konsequente "Hören" auf die Probleme/Spannungen des Pferdes beim Reiten in Kombination mit der Zahnbehandlung zeigten aber immer mehr Erfolg. Nach ca. 4 Monaten war das Knirschen in allen Grundgangarten und auch in Stresssituationen kein Thema mehr. Die Kombination aus strengem "Verkaufstraining", schlecht balancierten Zähnen und nicht artgerechter Haltung/Fütterung war wohl die Ursache für das Knirschen der Stute gewesen und hatte somit seine Gründe.
(Zwischen den Fotos liegt genau ein Jahr)
Das Pferd hatte sich durch die artgerechte Haltung, optimierten Fütterung und eine dem Alter des Pferdes entsprechenden Ausbildung sehr gut muskulär entwickelt, sodass dieser Artikel Ihnen Mut machen soll, doch eher öfter ins Pferd hineinzuhören, als manchem sogenannten Profi zu glauben.